Gesellschaft für Kriminologie, Polizei und Recht e.V.

Die Gesellschaft für Kriminologie, Polizei und Recht e.V. fördert die Wissenschaft, bietet Hilfe für Opfer von Straftaten, unterstützt Kriminalprävention und bürgerschaftliches Engagement zugunsten der Hilfe für Opfer von Straftaten und der Förderung der Kriminalprävention.

Grußwort von Prof. Jörg Ziercke,

Präsident Bundeskriminalamt a.D. und Bundesvorsitzender Weisser Ring e.V.


Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser,

Hass schafft Opfer. Er beleidigt Menschen, bedroht sie, verletzt sie. Im schlimmsten Fall tötet Hass Menschen. Das haben die extremistischen Mordanschläge in Halle, Hanau, Dresden, Berlin und auf den Politiker Walter Lübcke gezeigt. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WEISSEN RINGS waren nach allen schweren Hassverbrechen als Opferhelfer vor Ort. Der WEISSE RING hat mittlerweile ein eigenes Ausbildungsprogramm für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen, um schneller und effektiver auf diese vermehrt auftretenden Großlagen reagieren zu können.

Erst auf den zweiten Blick sichtbar ist die schleichende Gefahr für die Gesellschaft, die vom Hass ausgeht. Denn der Hass greift nicht nur Menschen an, er greift auch die Säulen unserer Demokratie an: Er drängt Politiker aus den Parlamenten, er verleidet Bürgern das Ehrenamt, er sprengt Diskussionen im Internet. Hass und Hetze sind kein Ausdruck von Meinungsfreiheit, im Gegenteil: Hass und Hetze unterdrücken Meinungen, weil sie Menschen zum Verstummen bringen. Eine Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena hat diesen Einschüchterungseffekt bereits 2019 belegt: Mehr als die Hälfte der Befragten gab dort an, sich wegen Hassrede im Internet seltener zu ihrer politischen Meinung zu bekennen. 15 Prozent der Befragten hat wegen Hassrede das Profil bei einem Online-Dienst ganz deaktiviert oder gelöscht, bei den unter 24-Jährigen waren es sogar 24 Prozent.

Wer sich gegen Hass und Hetze stellt, betreibt aktiven Opferschutz. Er beschützt Menschen – und er beschützt gleichzeitig die Demokratie, die nach wie vor beste, sicherste und freiste Staatsform, die wir je hatten. Der WEISSE RING hat deshalb „Hass und Hetze“ zu seinem Jahresthema 2021 gemacht und mit Aktionen und zahlreichen Veröffentlichungen auf die zunehmende Verrohung der Gesellschaft aufmerksam gemacht. Im kommenden Jahr wollen wir dieses Engagement fortsetzen und für mehr Zivilcourage werben.

Der Hass richtet sich oft gegen Minderheiten, zum Beispiel gegen Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung, mit anderer religiöser oder sexueller Orientierung. Aber auch Frauen sind Hass und digitaler Gewalt ausgesetzt, einfach weil sie Frauen sind: Bei einer Umfrage des Kinderhilfswerk Plan International gaben 70 Prozent der in Deutschland befragten Mädchen und jungen Frauen an, bereits im Internet beschimpft, belästigt oder bedroht worden zu sein. Die Zahl der Gewaltdelikte geht in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zurück, gleich bleibt die Zahl der Gewalttaten und Tötungen an und von Frauen.

Für das Jahr 2020 hat das Bundeskriminalamt 10.240 Fälle von Hasskriminalität registriert, das ist eine Zunahme von fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt 44.692 Straftaten fielen in den Bereich der sogenannten politisch motivierten Kriminalität, ein Zuwachs von 8,5 % im Vergleich zu 2019. In mehr als der Hälfte dieser Fälle ging es um Propagandadelikte, Beleidigungen und Volksverhetzung. In den steigenden Zahlen spiegeln sich die zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen und teilweise auch deutliche Radikalisierungstendenzen wider. Das sind aber nur die angezeigten Taten. Die meisten Fälle von Hass und Hetze vor allem im Internet werden erst gar nicht erfasst: Die Betroffenen zeigen sie nicht an, weil ihnen die Rechtslage unklar erscheint – und weil nur die wenigsten angezeigten Taten verfolgt und bestraft werden.

Der WEISSE RING will allen Betroffenen Mut machen, sich Unterstützung zu holen. Wir müssen uns der Verrohung der Gesellschaft gemeinsam entgegenstellen.


Mit herzlichen Grüßen

Prof. Jörg Ziercke

Bundesvorsitzender WEISSER RING e.V.

Wiesbaden/Mainz, 8. November 2021